Hintergrund
Am ISW werden in Zusammenarbeit mit Forschungspartnern aus der Industrie die Gestaltung und der Einsatz Digitaler Zwillinge erforscht und erprobt. Das Projekt umfasst mehrere Teilaspekte, die den Digitalen Zwilling als zentrales Element der Fertigung etablieren. Neben konzeptueller Vorarbeit für das gesamte Konsortium, arbeitet das ISW an der prototypischen Umsetzung der Konzepte in einem konkreten Use Case der Simulationstechnik und der Integration in einem institutsweiten Verbunddemonstrator.
Problemstellung
Die zunehmende Individualisierung von Kun-denanforderungen sowie der steigende Zeitdruck zur Markteinführung neuer Produkte erfordern eine durchgängige Digitalisierung von Lieferketten und eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Partner. Im Projekt growING werden daher innovative Methoden zur digitalen Kollaboration entwickelt, um Informationsasymmetrien zwischen den Akt-euren auszugleichen. Zentrales Element ist dabei ein wachsender Digitaler Zwilling, in dem sämtliche Produktinformationen über den gesamten Produktionszyklus hinweg iterativ angereichert werden. Die entwickelten Konzepte und Technologien werden in zwei industriellen Anwendungsszenarien der Projektpartner sowie in einem institutsinternen Verbunddemonstrator erprobt. Darüber hinaus kommen Konzepte aus dem Bereich Dataspaces zum Einsatz, um die Demonstratoren nahtlos in das digitale Ökosystem der ARENA2036 zu integrieren.
Zielsetzung/Ergebnisse
Die kollaborative Arbeit an digitalen Artefakten wird durch eine konsistente Abbildung und Integration in der Verwaltungsschale (Asset Administration Shell, engl. AAS) ermöglicht. Diese erlaubt eine durchgängige Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts hinweg. Ziel des Projekts ist der Aufbau einer Infrastrukturarchitektur sowie die Analyse der Schnittstellen und Übergänge entlang des Lebenszyklus. Bisherige Ansätze lassen sich in der Regel entweder als Greenfield klassifizieren – sie setzen von Beginn an auf die AAS als zentrale Datenhaltung – oder nutzen die AAS als reine Datensenke am Ende eines Prozesses. Im Gegensatz dazu verfolgt growING eine Brownfield-Integration in bestehende Engineering-Werkzeuge und Systeme mit eigener Datenhaltung. Diese Systeme interagieren direkt mit den Verwaltungsschalen und lassen diese über den Lebenszyklus hinweg wachsen. Damit wird ein neuartiger Ansatz realisiert. Neben der technischen Architektur wird daher besonderes Augenmerk auf die Erarbeitung von Integrationsrichtlinien in bestehende Prozesse und Systeme gelegt. Die durchgängige Nutzung von Simulationen über den gesamten Lebenszyklus einer Maschine oder Anlage gewinnt im Zuge der Digitalisierung zunehmend an Bedeutung. Obwohl Simulationsmodelle bereits in unterschiedlichen Phasen eingesetzt werden, fehlt bislang eine konsistente Verknüpfung zwischen diesen Modellen. Beispielsweise entstehen im frühen Engineering-Prozess Simulationsmodelle einzelner Komponenten – etwa FEM- oder Ablaufsimulationen. Parallel dazu werden im Rahmen der virtuellen Inbetriebnahme eigenständige digitale Zwillinge entwickelt, die jedoch nicht auf den zuvor erstellten Modellen basieren. Diese mangelnde Integration führt zu redundanten Modellierungen und einer ineffizienten Nutzung vorhandener Ressourcen. Ein zentrales Ziel von growING ist daher die Übertragbarkeit und Wiederverwendbarkeit von Simulationsmodellen über die verschiedenen Lebenszyklusphasen hinweg. Damit sollen durchgängige, konsistente Modellketten realisiert werden, die eine effizientere Produktentwicklung ermöglichen. Zur Validierung und Demonstration der im Projekt entwickelten Lösungsansätze wird ein institutsweiter Verbunddemonstrator aufgebaut. Dieser besteht aus derzeit fünf Einzeldemonstratoren, die gemeinsam den vollständigen Produktlebenszyklus – vom Engineering über Fertigung, Transport und Montage bis hin zur Nutzung und zum Recycling – eines individuell gefertigten Multi-Key-Tools im Sinne einer Kreislaufwirtschaft abbilden. Jeder Demonstrator ist als eigenständiges, kommunikations- und softwaretechnisch autarkes „Unternehmen“ mit eigener Netzwerkinfrastruktur realisiert. Diese Dezentralisierung ist von zentraler Bedeutung, da der sichere und automatisierte Datenaustausch über digitale Datenräume ein wesentliches Untersuchungselement darstellt. Die einzelnen Einheiten sind über ein lineares Transportsystem verbunden, das einen automatisierten Produktfluss gewährleistet. Auf Softwareebene ist der Gesamtdemonstrator serviceorientiert aufgebaut, um zukunftsweisende Geschäftsmodelle in einer digital vernetzten Produktionswelt erlebbar zu machen. Zentrale Elemente sind dabei ein webbasierter Produktkonfigurator sowie Dienste zur Produktionsplanung und Orchestrierung. To validate and demonstrate the solutions developed in the project, an institute-wide collaborative demonstrator is being set up. This currently consists of five individual demonstrators, which together represent the complete product life cycle - from engineering, production, transportation and assembly through to use and recycling - of an individually manufactured multi-key tool in the sense of a circular economy. Each demonstrator is implemented as an independent, self-sufficient “company” in terms of communication and software with its own network infrastructure. This decentralization is of central importance, as the secure and automated exchange of data via digital data rooms is a key element of the study. The individual units are connected via a linear transport system that ensures an automated product flow. At the software level, the overall demonstrator is designed to be service-oriented in order to make future-oriented business models in a digitally networked production world tangible. Central elements include a web-based product configurator and services for production planning and orchestration.
Ihr Ansprechpartner

Nicolai Maisch
M.Eng.Wissenschaftlicher Mitarbeiter "Industrielle Steuerungstechnik"

Shengjian Chen
M.Sc.Wissenschaftlicher Mitarbeiter "Virtuelle Methoden in der Produktionstechnik"

Colin Reiff
M.Sc.Wissenschaftlicher Mitarbeiter "Mechatronische Systeme und Prozesse"