Steuerungstechnik aus der Cloud

March 8, 2017

Welche Möglichkeiten eröffnet die Cloud für die industrielle ­Steuerungstechnik?

Steuerungstechnik aus der Cloud

Rückblick auf die "Stuttgarter Innovationstage"

 

Welche Möglichkeiten eröffnet die Cloud für die industrielle ­Steuerungstechnik? Dieser Frage gingen Ende Januar die Referenten der "Stuttgarter Innovationstage" auf den Grund.

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Am 8. Oktober 2013 fiel der offizielle Startschuss zum Verbund-Forschungsprojekt piCASSO. Das dahinterstehende Ziel: Erschließung von Effizienzgewinnen durch eine flexible Bereitstellung von Steuerungstechnik für Cyber-Physische Systeme in der industriellen Produktion. Die vorhandene, monolithische Steuerungstechnik soll dabei aufgebrochen, modularisiert und mit Mechanismen des Cloud-Computing, wie zentraler Datenverarbeitung und Service-orientierten Software-Architekturen, erweitert werden.

Den offiziellen Abschluss des Projektes zum 31. Dezember 2016 nahmen die Projektpartner zum Anlass, um im Rahmen der ‚Stuttgarter Innovationstage‘ unter anderem über die bisher erreichten Ergebnisse von piCASSO zu berichten. Zu der vom Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) an der Universität Stuttgart zusammen mit dem Fraunhofer IPK organisierten Kongressveranstaltung waren Ende Januar rund 150 Teilnehmer in die baden-württembergische Landeshauptstadt gekommen.

Eine in den diversen Vorträgen immer wieder diskutierte Frage war: Können Cloud-Technologien den Anforderungen, die an Industriesteuerungen gestellt werden, tatsächlich gerecht werden? Die einhellige Antwort darauf: Ja – aber! So arbeiten zwar Hersteller wie Bosch Rexroth, Beckhoff oder Kuka zusammen mit Maschinenbauern wie zum Beispiel Homag sehr wohl daran, SPS-, CNC- oder auch Roboter-Steuerungsfunktionen in die Cloud zu bringen; wenn allerdings – wie in vielen Industrieanwendungen gefordert – die Aspekte Echtzeit beziehungsweise Determinismus eine Rolle spielen, sind hier aufgrund der Internet-basierten Kommunikationsnetze klare Grenzen gesetzt: So haben beispielsweise die Firmen Robomotion und Sotec im Rahmen eines gemeinsamen Projektes, bei dem es darum ging, einen bestehenden Codesys-Steuerungskern komplett in die Public Cloud zu verlagern, Round-Trip-Zeiten im deutlich zweistelligen Millisekunden-Bereich ermittelt. Vor diesem Hintergrund spricht Heinrich Munz, Lead Architect Industry 4.0 bei Kuka, aus, worin sich die meisten Kongressteilnehmer einig sind: „Nach meiner Überzeugung gehört eine SPS – zumindest auf absehbare Zeit – nicht in die Cloud, sondern in die Edge – sprich in eine maschinennahe Komponente, welche die Echtzeit ‚puffert‘ und sich nach oben der Cloud-Dienste bedient!“

Stichwort Dienste: Auch wenn der eigentliche Steuerungskern wohl noch lange am ‚Ort des Geschehens‘ verbleiben wird, so lassen sich über die Cloud durchaus schon steuerungsnahe (Mehrwert-)Dienste abwickeln beziehungsweise anbieten. Der Holzmaschinen-Hersteller Homag etwa arbeitet bereits daran, komplexe Rechendienste wie Kollisionskontrolle oder die eigentliche NC-Programmgenerierung vom Rechner an der Maschine in die Cloud auszulagern. Heinrich Munz geht in seinen Gedankenspielen noch weiter in diese Richtung: „Unsere Kunden wollen primär nicht einen Roboter kaufen, sondern die Bewegung – warum ihnen also in Zukunft nicht rein eben diese verkaufen – Stichwort ‚Roboter as a Service‘.“

Um solche Gedankenspiele Realität werden zu lassen, ist eines klar: Die Automatisierungstechnik-Hersteller, aber insbesondere auch die Maschinenbauer müssen sich in Zukunft massiv mit dem Thema Software beschäftigen. Oder wie Heinrich Munz es drastisch formuliert: „Die Maschinenbauer der Zukunft werden Software-Häuser sein mit angeflanschter ‚Mechanik-Bude‘ – wer das nicht erkennt, wird nicht erfolgreich sein!“ Und noch ein weiterer Aspekt ist dem Kuka-Visionär bei all den Diskussionen rund um die Cloud wichtig: „Wenn wir nicht aufpassen, müssen wir uns in Zukunft mit 15 Internet-Protokollen herumschlagen – das will keiner! Was wir in der Automation brauchen ist OPC UA und AMQP nach ‚oben‘ beziehungsweise Ethernet TSN nach ‚unten‘ – und sonst nichts!“ Die Maschinenbauer selbst hätten es in der Hand, eben diese eine Protokoll-Variante von den Anbietern einzufordern.

Autor: Günter Herkommer, WEKA FACHMEDIEN GmbH

Quelle: www.computer-automation.de


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